Offener Brief der Students For Liberty an den Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, anlässlich des March for Science am 22.04.2017

Sehr geehrter Herr Professor Rosenthal,

mit Freude haben wir Ihr Rundschreiben, in dem Sie zur Teilnahme am March for Science am 22.04.2017 auffordern, zur Kenntnis genommen. Als Students For Liberty ist die Verteidigung der Freiheit der Wissenschaft eines unserer zentralen Anliegen. Daher schließen wir uns dieser Aufforderung ausdrücklich an.

Die Idee des March for Science stammt aus den USA, wo sie als Reaktion auf die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten und seinen willkürlichen Umgang mit evidenzbasiertem Wissen entstand. Gleichwohl lassen sich Anlässe für diesen Protest nicht nur dort finden. Zurecht betonen Sie, dass kritische Wissenschaftler heute zunehmend Repressionen ausgesetzt sind, Studenten inhaftiert werden, Disziplinen aus ideologischen Gründen ihre Förderung verlieren, der freie Austausch von Ideen und Gedanken gefährdet ist und wissenschaftliche Erkenntnisse grundsätzlich abgewertet werden. Auf der Webseite der Universität sowie der Facebook-Seite gehen Sie insbesondere auf das Aufkommen „alternativer Fakten“ ein.

Als Jenaer Hochschulgruppe haben wir insbesondere die Situation in Deutschland und hier vor Ort im Blick. Auch hier finden wir reichlich Anlass zur Sorge. Aktuell ist die Kontroverse um den Historiker Jörg Baberowski (HU Berlin) medial stark präsent. Baberwoski wird am 24.04. auf Einladung des Collegium Europaeum Jenense einen Vortrag an unserer Universität halten. Er wurde zum Objekt einer nicht an wissenschaftlichen Kriterien interessierten Hetzjagd durch linksradikale Splittergruppen, die sich insbesondere im universitären Umfeld organisieren. Damit steht er nicht alleine: Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler beispielsweise wurde zum Opfer des Blogs „Münklerwatch“, das Aussagen aus dem Kontext seiner Vorlesungen zog und ihn dadurch zu diffamieren versuchte; Eine Vorlesung des Erziehungswissenschaftlers Malte Brinkmann wurde gar so erheblich gestört, dass die Veranstaltung schließlich durch die Polizei aufgelöst wurde. Einigen Studenten war missfallen, dass er sich mit Kant und Rousseau auseinandergesetzt hatte: So würde er „aus einer eurozentristischen weißen Perspektive rassistische Ansichten“ vertreten. Weitere Opfer solcher Diskreditierungskampagnen waren z.B. Michael Makropoulos oder Ruud Koopmans. Einzelne Wissenschaftler werden stigmatisiert, wodurch auch andere eingeschüchtert werden. Themenauswahl und freier Diskurs werden so de facto eingeschränkt. Dieses Vorgehen stellt also einen ernsthaften Angriff auf die Freiheit von Forschung und Lehre dar.

Sowohl das Präsidium der Humboldt-Universität Berlin, als auch der Fachbeirat Wissenschaft der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sind mit Erklärungen zur Verteidigung ihrer Kollegen – und damit der akademischen Freiheit selbst – an die Öffentlichkeit getreten. Diesen Schritt befürworten wir, halten ihn angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre aber für längst überfällig. Auch an der Friedrich-Schiller-Universität wurde 2015 bereits eine Veranstaltung durch Studentengruppen verhindert und dadurch das Ideal des offenen und kritischen Austauschs von Argumenten angegriffen.

Daher möchten wir gerne von Ihnen wissen, wie Sie zu den aktuellen Entwicklungen speziell in Deutschland und Jena stehen und würden es ausdrücklich begrüßen, wenn Sie anlässlich des March for Science öffentlich Stellung dazu nehmen.

Mit freundlichen Grüßen,

Johannes G. F. Bruhn, Michaela M. Meißner & Rick Wendler
Vorstand der Students For Liberty Jena